Ironman Wales – Face the Dragon

SWIM

Sonntag 11.09.2022 04:30 Uhr, der Wecker klingelt. Endlich Raceday! Zuerst geht es noch einmal zur Wechselzone, den Reifendruck checken und die Raceverpflegung am Rad unterbringen. Die Nervosität steigt von Minute zu Minute. Unsere Neopren ziehen wir in unserer Unterkunft an, dann gehts zum ca. 500m entfernten Schwimmstart. Eine steife Brise weht durch die Gassen Tenby’s, in denen schon jetzt tausende Zuschauer den Athleten Spaliere stehen. Beim ersten Blick auf die keltische See schauen sich Patrick und ich ungläubig an und die Nervosität steigt nochmals dramatisch. Vom ruhigen Meer der vergangenen Tage ist nichts zu sehen. Hohe Wellen rollen an Tenby‘s Nordstrand und lassen schon erahnen, dass der Drache sich nicht kampflos ergeben wird.

Eingereiht in unseren jeweiligen Startblock warten wir auf den lang ersehnten Startschuss. Zuerst aber die Schweigeminute zu Ehren und Gedenken der Queen. Gespenstige Stille bei den über 2.000 Athleten und bestimmt 10.000 Zuschauern. Danach, pünktlich zum malerischen Sonnenaufgang die Walisische Hymne, die einem Gänsehaut am ganzen Körper beschert und im Anschluss der Startschuss zu AC/DC’s „Thunderstruck“!

Ab in die 17 grad „warme“ aufbrausende keltische See, was auf den ersten 50 Metern für ordentlich Schnappatmung sorgt.

Die Wellen verbargen sowohl sämtliche Bojen als zu teilen auch alle Mitstreiter und machten ein rhythmisches Schwimmen unmöglich. So in etwa muss man sich in Waschmaschine im Schleudergang fühlen. Also hieß es vor allem ruhig bleiben und nicht in Panik verfallen. Umso erstaunter war ich bereits nach knapp 39 Minuten auf die zweite Runde gehen zu können und nach 1:19 Std. bereits aus dem Wasser zu steigen. Patrick war hier 10 Minuten schneller und ob der Umstände, die mehr an Überlebenskampf an als ein Schwimmen erinnerten, zufrieden.

Auf der ca. 2 km langen Wechselzone die quer durch die Stadt führt, konnte man zum ersten Mal den unfassbaren walisischen Support der Zuschauermassen aufsaugen. Kurz vor dem Wechselzelt durfte ich dann überglücklich meine Familie abklatschen, die sehr froh war, dass mich die See wieder unversehrt ausgespuckt hatte.

BIKE

Jetzt endlich ab aufs Rad. 180 km durch das hügelige Land um Tenby ergeben in Summe, auch ohne lange Anstiege, über 2.500 Höhenmeter auf rauen und kurvenreichen Straßen.

Mit meinem Sturz vor genau 2 Wochen und einem Platten beim Streckencheck, bei dem dann auch noch das komplette Pannenset incl. Schlauch, Pumpe und Ventilverlängerung streikten, sollte ich mein ganzes Pech für die nächste Zeit aufgebraucht haben. So rollte ich motiviert, aber trotzdem noch vorsichtig aufgrund der starken Böen los. Bei km 10 fuhr ich beim ersten gestürzten Athleten vorbei und dass auf gerader Strecke, was mich noch einmal mehr dazu veranlasste auf Nummer sicher zu fahren.

Die Landschaft im Pembrokeshire ist wunderschön, aber übersäht von kleinen Rampen, die den Oberschenkeln ordentlich zum Brennen bringen und einem wirklich alles abverlangen. Ich kam gut voran, die Verpflegung klappte einwandfrei und die Motivation war nach gut zwei Drittel der Strecke am Höhepunkt.

Wie konnte es auch anders sein, wenn das unglaubliche Publikum in jedem Ort, auch wenn er noch so klein war, einen regelrecht durch Gebrüll den Hügel hinauf drückte. Nach guten 150km setzte leider doch noch Regen ein, was die kurzen windanfälligen Abfahrten oft mit uneinsichtigen Kurven noch unberechenbarer machte. Bei Regen und nach den beiden schwierigsten Anstiegen, einer nach der Wiseman’s Bridge und der andere im schönen Küstenort Soundersfoot, auf den letzten 25 km, war ich froh die Abfahrt in Richtung Tenby und Wechselzone zu nehmen, auf der mir der sichtlich überraschte Patrick Longhin bereits auf seiner ersten Laufrunde entgegen kam.

Nach 6:45 erreichte ich den Wechselbalken, fühlte mich noch erstaunlich frisch und war somit voller Zuversicht für den folgenden und abschließenden Marathon. Patrick war auf dem Rad gute 50 Minuten schneller als ich und hatte somit bereits mehr als 1:10 Std. Vorsprung und lag nach ca. 16 Lauf-km wieder einmal auf einem Platz, der für einen Hawaii-Slot in Frage kommt.

RUN

Am Ende der Radstrecke war ich ähnlich nass als nach dem schwimmen, was aber nicht sonderlich störte.

Frische Socken und die Laufschuhe an und ab auf die Laufstrecke. Auch den Marathon bekommt man in Tenby nicht geschenkt. 4 Runden mit je 125 Höhenmeter sind zu absolvieren.

Die ersten Kilometer fühlten sich prima an, auch wenn mich meine Oberschenkel ständig an die harte Radstrecke erinnerten. Zuerst geht es raus aus dem Ort hoch zum Wendepunkt, wobei ich Patrick der auf dem Rückweg war, abklatschen konnte und dann mit kleinen abzweigen wieder hinunter in den Ort. Ab Ortseingang geht das dann gefühlt durch jede Gasse des kleinen Küstenorts, vorbei an unzähligen Pubs, immer begleitet vom Geruch nach Fish and Chips und Bier und lautstarken Anfeuerungsrufen.

Der Support entlang der Strecke ist wirklich nicht mit Worten zu beschreiben. Ständig hört man seinen Namen mit einem “well done” oder einem “come on, you will get it” Ca. Bei km 10 kann ich dann auch endlich zum ersten Mal meine Jungs abklatschen. Schon von weitem ist unvorstellbare Freude in ihren Gesichtern abzulesen, was mich emotional unglaublich bewegt und motiviert.

Die Verpflegung klappt leider nicht mehr besonders, was sich nach ca. 20 km dann rächt. Zuvor hatte ich schon einige Gehpausen einlegen müssen, jetzt schien der Saft aber endgültig abgestellt. Aufgeben aber keine Option. Ich verzichtete auf ein weiteres Gel, dass letzte hatte schon beinah den Magen Inhalt auf Tenby’s Straßen befördert und hielt mich an ISO und Cola was den Energieknoten löste. Ich konnte nach ca. 5km wieder weiterlaufen, auch wenn ich an den Gehpausen an steilen Anstiegen und den Verpflegung Stellen festhielt.

Patrick war hier schon geduscht und frisch gestärkt. Er konnte den Marathon in unglaublichen 3Std. 30 Minuten beenden und überquerte die Ziellinie in 10Std. und 48 Minuten als 6ter seiner Altersklasse die Ziellinie.

Dann war sie da, die letzte Runde, lautstark und selbstgemalt eingeläutet von meiner Familie. Noch einmal den Hügel hinauf, dass letzte von 4 Bändchen an den Arm, dass ich dann auch voller Stolz und gut sichtbar trug. Ab da pure Freude, nur noch bergab zurück nach Tenby. “You got it” hör ich wildfremde Menschen rufen, so als würden sie sich alle mit Herzen für dich freuen. Das letzte Mal an unserem Haus vorbei, einbiegen auf die Esplanade wo Tanja, Joshua und Samuel 100m vor dem Ziel schon auf mich warten.

Die Gefühle in dem Moment, sie sind schwer zu beschreiben, besser gesagt sie sind einfach nicht zu beschreiben. Der rote Teppich und die Stimme von Paul Kaye:

“Michael, you are an IRONMAN”

Der Drache ist bezwungen, auch wenn er sich sehr gewehrt hat.

FAZIT

4 Stunden 54 Minuten hatte ich am Ende für den Marathon gebraucht. 24 Minuten länger als geplant, das war am Ende egal. Nach 13 Stunden und 20 Minuten war ich endlich überglücklich und voller Adrenalin am Ziel.

Patrick qualifizierte sich mit seiner grandiosen Leistung für die Weltmeisterschaft in Hawaii 2023, entschied sich dieses Mal aber dazu den Slot nicht anzunehmen.

Am Ende bleibt ein unbeschreiblicher Wettkampf über dem eine unglaubliche Stimmung liegt die man erleben muss. Der Ort, die Menschen und die Landschaft machen diesen Event zu einem überragenden Ereignis. Vielen Dank Tenby für diesen außergewöhnlichen Spirit, an Alle die zu Hause mitgefiebert haben. Vielen Dank an Simone, Meo, Patrick M. und Nicole für den Support vor Ort. Vielen Dank Patrick L., ohne dich wäre ich nicht in die versuchen gekommen dem Drachen gegenüberzutreten.

Am meisten aber will ich mich bei meinen beiden Söhnen Samuel und Joshua bedanken, die wohl als die besten Supporter in die Geschichte des Ironman Wales eingehen und natürlich bei meiner Frau Tanja, die mir in der langen Zeitaufwendigen Vorbereitung stehts zur Seite stand, mir den Rücken für das Training freigehalten, dass Familienleben gemanagte und mich zusätzlich noch ständig motiviert und angefeuert hat. Ohne das wäre es nicht möglich gewesen den Drachen zu bezwingen und diese Leistung verlangt mindestens genau so viel Respekt und Beachtung wie das Finishen eines Ironman.

Michael Rachul

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